Nach dem Gipfeltreffen in der 1. Bundesliga 120 Frauen – Interview mit Nationaltrainerin Sandra Hirsch

„Wir können froh sein, dass wir zwei Teams auf diesem hohen Niveau haben"


Sandra Hirsch (links mit Saskia Seitz) war beim Gipfeltreffen in der 1. Bundesliga 120 am 6. Spieltag (29.10.17) aufmerksame Zuschauerin. Beim Spiel zwischen dem gastgebenden Europapokalsieger KV Liedolsheim und dem Weltpokalsieger Victoria Bamberg waren allein acht Spieler aus dem deutschen Weltmeister- bzw. B-Kader auf der Bahn, dazu die amtierende Einzelweltmeisterin und Weltrekordlerin Ines Maricic oder auch die U18-Tandem-Weltmeisterin von 2017, Samantha Jones (gemeinsam mit Bianca Zimmermann). Nach der Partie stand Sandra Hirsch dem DKBC-Livecenter für ein Interview zur Verfügung.

Hättest du mit solch engem Spielausgang gerechnet angesichts der Tatsache, dass Liedolsheim ohne Weltmeisterin Saskia Seitz antreten musste?

Sandra Hirsch:
Ich habe schon mit einem sehr engen Spielverlauf gerechnet. Zum einen, wohlwissend wie gut Liedolsheim seine Heimbahn kennt und zum anderen, wenn man die letzten Wochen verfolgt hat – mit dem Europapokalsieg dazu: Das Team in Liedolsheim ist durch den temporären Ausfall von Saskia Seitz sehr, sehr eng zusammengerückt. Genau das hat man gestern auch im Spiel gesehen. Es war für die Zuschauer – mich inklusive – megainteressant und ein spannendes Spiel bis zum letzten Wurf, und das nicht nur so dahin gesagt. Die Entscheidung fiel tatsächlich erst auf den letzten zwei Würfen.

Welche Leistungen haben dich als Nationaltrainerin am meisten beeindruckt?


Sandra Hirsch:
Beeindruckt haben mich fast alle Spielerinnen auf beiden Seiten. Gewohnt stark natürlich im 600er-Bereicheine Sina Beißer oder Ines Maricic, aber auf beiden Seiten sehe ich gute Weiterentwicklungen selbst im Vergleich zur WM. Die Partie zwischen Melina Zimmermann und Alina Dollheimer war das Duell, das mich am meisten beeindruckt hat. Beide sind noch einmal einen Schritt nach vorn gegangen und habensich sehr präsent, sehr kampfstark auf der Bahn präsentiert. Aber auch alle anderen, das sieht man daran, wie eng die Duelle waren, haben bis zum letzten Wurf gefightet – und das auf einemsehr hohen Niveau. Zusätzlich vielleicht noch, was vom Ergebnis her gar nicht so erscheint: Samantha Jones, gerade 17 Jahre alt geworden, hat im Startpaar gegen eine Sina Beißer einen Satz gewonnen und fast 580 gespielt, das finde ich sehr beeindruckend. Da wächst was heran.

Beim Weltmeisterinnenduell war es schließlich so, dass Melina Zimmermann mehr Kegel erzielte, Alina Dollheimer aber das Duell gewann...


Sandra Hirsch:
...genau. Das ist ja das Spannende an dem Spiel. 2,5:1,5 zu gewinnen, das ist auch ein Reiz am 120-Wurf-System. Dass Bamberg schließlich knapp vorn war, lag auch an anderen Faktoren. Sandra Sellner und Ines Maricic waren ebenfalls sehr eng beieinander, aber Ines konnte dann ihre internationale Erfahrung auf den letzten paar Wurf noch ausspielen.

Beide Mannschaften haben sich Anfang des Monats international durchgesetzt. Hast du am Sonntag die besten Mannschaften der Welt gesehen? Wer kann deiner Meinung nach international diesen Teams auf Augenhöhe begegnen?


Weltpokalsieger Victoria Bamberg.

Sandra Hirsch: Das ist schwer zu sagen. Generell sind das natürlich die Mannschaften auf Platz 1 bis 3in diesen Wettbewerben. Wir haben auf jeden Fall am Sonntagzwei Weltklasseteams gesehen. Beide haben ihre Titel sehr verdient gewonnen. So wie Liedolsheim sich am Sonntag gezeigt hat, hätte es auch eine realistische Chance, in die Endrunde einer Champions League einzuziehen, vor allem wenn man Saskia Seitz als Leistungsträgerin dieser Mannschaft noch mit einrechnet. Liedolsheim ist international natürlich weitaus weniger erfahren als die Bamberger Mannschaft. Aber man hat es in den letzten Jahren immer wieder gesehen wie sich neue Mannschaften internationalherangearbeitet haben.Bisherjedenfalls hat sich Liedolsheim zu Beginn dieser Saisonextrem stark präsentiert. Wir können in Deutschland froh sein, dass wir zwei Teams gegenwärtig auf dem Niveau stehen haben.

Europapokalsieger KV Liedolsheim.

Wie ordnest du das Niveau in der Frauen-Bundesliga ein?

Sandra Hirsch: Bamberg hat natürlich die große Favoritenrolle und ist der Vorreiter. Aber Liedolsheim hat aufgeschlossen. Auch Schrezheim hat zwar mit Verletzungsausfällen zu kämpfen, aber ist vom Niveau in den letzten Jahren stetig besser geworden und hat sich mit der Italienerin Runggatscher verstärkt. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen, wir sind auf einem guten Weg. Natürlich würde ich mir als Nationaltrainerin wünschen, dass da noch weitaus mehr passiert. Daher bin ich über alle Nachwuchstalente froh, wie eben zum Beispiel eine Samantha Jones, dass sie jetzt in der 1. Bundesliga spielt und sich auch so präsentieren kann. Das ist sicherlich ein Weg, den auch andere Talente gehen sollten.

Die Qualität bei den Frauen ist auch nach der WM 2017 ungebrochen. Dettenheim war zweifellos ein absoluter Höhepunkt. Sind die Erfolge jetzt noch eine Nachwirkung des WM-Sogs oder vielleicht auch ein Ausdruck eines weit vor der WM begonnenen Weges in der Nationalmannschaft?


Deutsche Nationalmannschaft. Es fehlen die Schrezheimerinnen Simone Schneider und Saskia Barth.

Sandra Hirsch: Ganz sicher Letzteres. Die Nationalspielerinnen haben sich sehr intensiv auf die WM vorbereitet. Man sieht generell, dass alle ihr Niveau halten können oder es sogar noch gesteigert haben. Das zeigt die Auswirkungen dieser langfristigen Vorbereitung. Und wenn dann so ein Aufeinandertreffen von sechs Nationalspielerinnen plus weiterer Kandidaten, die noch im Hintergrund stehen, wie zum Beispiel Sabine und Sandra Sellner sowie Yvonne Schneider, die zum B-Kader gehören, das prägt auch schon gewisse Emotionen und bringt einen zusätzlichen Push in solch ein Spiel. Das war aber gestern auch deutlich zu spüren, dass sich die Spielerinnen an solche Erfolge erinnern, die gerade ein halbes Jahr zurückliegen.

Im kommenden Jahr stehen die Einzel-Weltmeisterschaften und die U23-WM in Cluj an. Was versprichst du dir insbesondere von den Nachwuchstitelkämpfen für die A-Auswahl?


Sandra Hirsch:
Das ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu den Damen. Von daher verspreche ich mir natürlich möglichst konstante und hohe Leistungen, und dass sich auch einige Spielerinnen entsprechend zeigen, die wir dann wiederum in die A- und B-Teams einbauen können.

Was hat sich für dich nach der WM verändert, wen dürfen wir bei der Einzel-WM erwarten, bei der Deutschland als Weltmeister sechs Startplätze hat?


Sandra Hirsch:
Ich begleite die Damen jetzt in der Vorbereitung, werde aber aufgrund meiner Schwangerschaft zur Einzel-WM nicht zur Verfügung stehen. Wir beginnenjetzt mit den Stützpunkttrainings und werden den einen oder anderen Lehrgang einschieben in Vorbereitung auf Cluj nächstes Jahr. Ich bin dabei, so lange es eben geht. Im Großen und Ganzen bleibt auch das Team zusammen, das sich zur WM gezeigt hat. Das ist anders als bei den Herren, bei denen einige ihre Nationalmannschaftskarriere beendet haben. Im Damenbereich können wir aus dem Vollen schöpfen.

Aufgezeichnet von Michael Hohlfeld. Fotos: KVL (3), Sport Print Zander
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