„Wir haben alles auf die Karte Hoffnung gesetzt"


(24.03.20) Als das Coronavirus  im März 2020 den Sport lahm legte, waren auch die DKBC-Verantwortlichen für den Kegelsport gefragt. Entscheidungen mussten erarbeitet und getroffen werden, ohne dass es dabei ein Pandemie-Handbuch für den Sport gab. Wir sprachen mit dem Sportdirektor des DKBC, Harald Seitz, über die Auswirkungen auf den Bundesligaspielbetrieb und die internationalen Veranstaltungen.

Hallo Harald, wie geht es deiner Familie und dir und wie den Mitgliedern im KV Liedolsheim?

Harald Seitz: Die ganze Situation belastet uns alle sehr. Sie stellt so manches Nervenkostüm auf eine harte Probe. Meine jüngste Tochter hatte gerade Geburtstag, meine Frau und ich unseren 32. Hochzeitstag. An Feiern ist nicht zu denken. Die Urgroßeltern haben seit zwei Wochen von den Urenkeln nur Videos gesehen. Ich denke, es kann sich jeder denken, wie wir uns fühlen. Genauso wie jeder andere auch. Eingeschränkt in seinen gewohnten Abläufen, etwas macht- und ratlos auf Grund eines Gegners, der überall lauern kann. Gerade deshalb wechselt sich die Gefühlslage ein wenig zwischen deprimiert, Wut und „Jetzt erst recht!" ab. Aufgeben ist nicht! Wir bleiben zu Hause und kämpfen durch Zusammenhalt gegen die Gemütsschwankungen.  

Seit dem ersten Beschluss in Corona-Zeiten sind keine zwei Wochen vergangen. Den Empfehlungen des DKBC-Präsidiums folgten die Absage der letzten beiden Bundesliga-Spieltage und der Drei-Stufen-Plan zur Beendigung der Saison 2019/20. Welche Entscheidungen fielen im Rückblick am schwersten und wer war dabei eingebunden?

Harald Seitz: Zum damaligen Zeitpunkt war als erstes die Absage der beiden letzten Spieltage am schwersten. Als ich erfahren habe, dass es unter Keglern die ersten Corona-Verdachtsfälle gibt, habe ich mich mit Wolfram Beck, Michael Hofmann und unserem Präsidenten Franz Schumacher innerhalb von 15 Minuten verständigt, um ihnen mitzuteilen, dass ich die Saison aussetzen werde. Wir waren uns hier komplett einig, dass es keine andere Möglichkeit gibt. Der zweite Punkt kam dann mit der Vorbereitung auf die Telefonkonferenz, bei der ich mich sehr eng mit Werner Kießling abgestimmt habe. Wie gehen wir damit um, wenn wir gezwungen sein könnten,  den Plan C anzuwenden. Wir haben hier in alle Richtungen gedacht. Ein Abbruch der Saison zwei Meter vor der Ziellinie war für uns keine Option. Wir haben durch Maßnahmen, wie zum Beispiel den direkten Aufstieg der Meister aus den Zweiten Ligen, und die damit verbundene Aufstockung auf zwölf Mannschaften versucht, das Ganze so human wie möglich zu gestalten.
Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei Wolfram Beck, Michael Hofmann, Werner Kießling, Robert Rammler, Werner Heckmann und Lothar Müller, die bei dieser schweren, aber unumgänglichen Entscheidung involviert waren.

Im Anschreiben zum Präsidiumsbeschluss vom 18. März heißt es: „Keiner in der Kommission kann voraussehen, wie lange sich diese Pandemie hinzieht." Was hat euch dazu bewogen, einen Drei-Stufen-Plan vorzulegen?

Harald Seitz: Das war ganz einfach dieser Ungewissheit geschuldet, wie lange die behördlichen Vorgaben andauern werden. Wir haben, und das steht ja auch im Anschreiben, alles auf die Karte Hoffnung gesetzt. Wir waren uns aber auch darüber im Klaren, dass es auch Antworten geben muss, wenn diese Karte nicht sticht. Daraus resultierte dann die dritte Stufe – der Plan C.

Wie realistisch siehst du die Chance, dass im Mai gespielt werden kann? Wie tauscht ihr euch in diesen Fragen aus?

Harald Seitz: Noch immer haben wir die Hoffnung, dass alle Maßnahmen erfolgreich greifen und wir Plan A oder B noch umsetzen können. Es ist schon unheimlich, dass uns selbst diese zweimonatige Vorplanung keinerlei Sicherheit gibt, dass wir tatsächlich weiterspielen können. Austauschen brauchen wir uns in der Zwischenzeit nicht. Die Regularien und Verordnungen des Bundes und der Länder bestimmen unser Handeln und unseren Drei-Stufen-Plan, für den es mit dem 25. April und 9. Mai feste Termine gibt, was wann in Kraft tritt.

Welche Resonanz hast du als Sportdirektor und Werner Kießling als Ligenkommissionsleiter bisher auf den Drei-Stufen-Plan von den Bundesligavereinen erhalten?

Harald Seitz: Das ist unterschiedlich. Der überwiegende Teil ist sehr positiv und auch dankbar, die bisherige Runde nicht einfach wegzuwerfen. Dann gibt es auch die, die einen Abbruch der Saison lieber gesehen hätten. Oft ist die Meinung auch tabellenplatzbedingt, was ich gut verstehen kann. Ich denke, es sollte jedem bewusst sein, dass in einer so noch nie da gewesenen Situation keine 100%ige Gerechtigkeit möglich ist.

Mit welchen Fragen und Problemen kommen momentan die Mannschaften auf dich zu?

Harald Seitz: Es gibt einige Mannschaften, die nach der Saison ihre Kegelbahnen umbauen wollten. Was sollen die machen. wenn Plan A oder B genau in diese Zeit fällt. Hier werden wir es auch ermöglichen, dass die betroffenen Mannschaften auf andere Anlagen ausweichen können. Oder wir prüfen wohlwollend, inwiefern dieses Spiel überhaupt notwendigerweise gespielt werden muss oder nicht. Wir schauen hier vom einen zum anderen Spieltag.  


Vor welchen Problemen standet ihr bei der Planerarbeitung in Bezug auf die DKBC-Sportordnung?

Harald Seitz: Ich möchte noch einen Schritt weitergehen. Um Schaden vom DKBC abzuwenden, war es aus unserer Sicht notwendig, den Punkt 13.5. der DKBC-Satzung zu ziehen, der das DKBC-Präsidium berechtigt, Sofortmaßnahmen zu erlassen, wenn es das Ansehen und das ordnungsgemäße Funktionieren des laufenden Geschäfts erfordert. Es ging nicht um die Austragung von ein paar Spielen, sondern Planungssicherheit für den Spielbetrieb im DKBC und vor allem in den Landesverbänden. Bei der Sportordnung gab es ebenfalls einiges zu beachten. Vor allem durch die Punkte 2.9 (10) im Teil B waren wir aber auch da so aufgestellt, dass die notwendigen Entscheidungen – auch in ihrer speziellen Form für Plan A, B und C – getroffen werden konnten.

In der 2. Bundesliga Ost/Mitte Männer stehen im Plan C vier Landesverbänden nur drei Aufstiegsplätze zur Verfügung. Melden alle, gibt es ein qualifiziertes Losverfahren, was ist darunter zu verstehen?

Harald Seitz:
Wir werden hier nicht, wie viele denken, nur einen, der nicht reinkommt, ziehen, sondern zuerst denjenigen, der zuerst aufsteigt usw. bis die Mannschaft kommt, die nicht aufsteigt. Wir werden auch unter vier Personen auslosen, wer an welcher Stelle ein Los für den Aufstieg oder Nichtaufstieg ziehen wird.

Für die kommende Saison werden bei Plan C auch Staffeln mit mehr als zehn Mannschaften gebildet. Über welchen Zeitraum erstreckt sich anschließend die Rückführung auf Zehner-Staffeln?

Harald Seitz: Über zwei Jahre – zuerst von 12 auf 11, in der Saison darauf auf 10 Teams.

Zwölfer-Staffeln auf der einen Seite, NBC-Wettbewerbe wie die Internationalen Klubwettbewerbe und die WM in Polen im Herbst auf der anderen Seite – wie soll das gehen? Reicht es, den DKBC-Pokal 2020/21 auszusetzen?

Harald Seitz: Das wird nicht ausreichen. Auch hier bin ich mit dem Sportdirektor der NBC, Markus Habermayer, der ja auch Bundesligasprecher ist, in Kontakt. Wir haben schon einiges besprochen. Entscheidungen konnten aber noch keine fallen. Hierzu bracht es auch noch etwas Zeit. Eine Austragung der WM im Herbst ist zudem noch nicht sicher. Das ist im Moment ein Vorschlag, der diskutiert werden muss. Auch Markus ist sich hier mit mir einig, dass diese Situation besondere Maßnahmen braucht. Nur, welche das sein werden, muss noch abgewartet werden.

Im Februar 2021 ist der Einzelweltpokal in Schönebeck geplant. Wie werden dafür die Teilnehmer ausgewählt, startberechtigte deutsche Meister wird es ja dann nicht geben?

Harald Seitz: In diesem Fall wird das Präsidium in Abstimmung mit den Nationaltrainern entscheiden.
Das ist nicht einmal ungewöhnlich, weil wir so bereits bei zusätzlichen Startplätzen in der Vergangenheit verfahren sind.

Der DKBC wird am 9. September 2020 zwanzig Jahre. Was wünschst du dir für diesen Tag für den deutschen Kegelsport?

Harald Seitz: Ich wünsche mir, dass wir an diesem Tag alle gemeinsam, nicht nur diesen Geburtstag, sondern eine hoffentlich schon längst überstandene Pandemie feiern können. Bis dahin wünsche ich allen unseren Keglern und Angehörigen: Bleibt gesund!

Danke Harald, für dieses Gespräch.

Das Interview führte Michael Hohlfeld.